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Kunst & Kultur

Aus alter Wurzel neue Kraft – Ein partizipatives Kunstprojekt des Künstlers Tim Berresheim in Aachen

Aachen – Simulierte Wirklichkeiten in der frappierenden Präzision alter Meister: Tim Berresheim erzeugt komplexe Bildwelten, die sich aus dem Spannungsfeld von Computertechnologie und der Befragung der eigenen Wirklichkeit entwickeln. Nun macht der weltweit erfolgreiche Künstler mit dem groß angelegten Kunstprojekt „Aus alter Wurzel neue Kraft“ die Stadt zum Thema, in der er lebt: Aachen.

Ausgangsort ist der „Büchel“ im historischen Zentrum der Stadt. Seit dort das alte Parkhaus abgerissen wurde mit dem Ziel, unter dem Dachgedanken „Wohnen, Wissen, Wiese“ einen neuen urbanen Raum mit hoher Lebensqualität zu entwickeln, hat sich der Platz als temporärer Ort lebendiger Transformation etabliert, der in vielfacher Weise bespielt und ausprobiert wird.

„Freudvolle Navigation auf unsicherem Terrain“

Tim Berresheim lädt alle Aachener*innen ein, sich im Rahmen des Kunstprojekts „Aus alter Wurzel neue Kraft“ mit dem geschichtsträchtigen Ort und seiner Umgebung auseinanderzusetzen, in alte und neue Lebenswelten einzutauchen, den vielen Transformationsprozessen der Vergangenheit nachzuspüren und selbst an der aktuellen Transformation als Schnittstelle zur Zukunft teilzuhaben. Dort, wo Geschichte und Zukunft der Stadt sich begegnen, soll eine digitale und analoge Visualisierung der „freudvollen Navigation auf unsicherem Terrain“ stattfinden, sagt Tim Berresheim. „‚Aus alter Wurzel neue Kraft‘, ein Motto von deutschen Schützenbruderschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, steht für mich für alte, handwerkliche Arbeitsweisen, die in neuester Technologie neue Wirksamkeit entfalten. Das beschreibt für mich nicht nur einen kreativen Prozess, sondern legt auch die Methode nahe, wie ich mit den Teilnehmer*innen sehr konkret am Projekt arbeite: Wir wenden kunsthandwerkliche Techniken wie Frottage, Schraffuren, Collage an und transformieren sie zum Beispiel mittels Augmented Reality in etwas künstlerisch Neues.“

Erste Präsentation am 16. Dezember in der Salvatorkirche

Den Anfang dieses partizipativen Projekts gestaltet der Künstler strukturiert: zusammen mit Kindern der Grundschule am Fischmarkt und Schüler*innen des Kaiser-Karls-Gymnasiums sowie des vhs Colleges, die in Workshops den Umgang mit Handwerkzeugen des Wandels kennenlernen. Dazu gehören zum Beispiel Augmented-Reality- und 3D-Scanning-Workshops sowie Zeichen- und Modellierkurse, analog und digital. Die Schülerinnen erleben den Umgang mit Hochleistungscomputern und iPads mit Bildbearbeitungsprogrammen, Augmented-Reality-Apps, Laserscannern und 3D-Scannern, erhalten aber auch Zugang zu klassischem Kunsthandwerken. Beim gemeinsamen Location-Scouting sollen spannende Orte ausfindig gemacht werden. Während die Umgebung gescannt wird, erhalten die Schüler*innen zugleich Unterricht in Stadtgeschichte und dem Bedienen neuester Mittel der Kunstproduktion.

Heinrich Brötz, Beigeordneter für Bildung, Jugend und Kultur der Stadt Aachen, zeigt sich begeistert: „Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unterschiedlicher Herkunft und kultureller Erfahrung nehmen an dem Kunstprojekt von Tim Berresheim teil. Sie erkunden ihre Heimatstadt Aachen mittels neuster Technologie und hinterlassen Spuren, die das Projekt aufnimmt. Damit wird eine kreative Auseinandersetzung mit dem urbanen Raum angestoßen, die in diese Zeit gesellschaftlichen, aber auch städtebaulichen Wandels passt und von der wir alle lernen und profitieren können.“

Die entstehenden „Transformationsleistungen“ sollen immer wieder an unterschiedlichen Orten öffentlich zugänglich gemacht werden. Den Anfang macht die Salvatorkirche. Hier werden am 16. Dezember 2023 ab 15 Uhr die ersten Ergebnisse der Kollaboration zwischen Künstler und Teilnehmer*innen präsentiert. Um 16 Uhr folgt ein Flötenkonzert (Salvatorkirche, Salvatorberg 1, Aachen, Eintritt frei!)

Digitale Bildung spielerisch erlernen

Das Projekt verknüpft tradiertes Wissen auf regionaler Ebene mit den Herausforderungen der heutigen Zeit. Eines der Ziele ist es dabei, digitale Bildung in spielerischer Form an Schulen zu fördern, Hemmschwellen zum technologischen Fortschritt abzubauen und Technik wohlwollend an das Curriculum zu schmiegen. Gleichzeitig streben Tim Berresheim und sein Team eine inklusive Herangehensweise an, indem verschiedene Altersgruppen und Bildungsstände, aber auch vulnerable Gruppen wie Menschen mit Fluchterfahrung in den Herstellungsprozess einbezogen werden. Dieser Prozess wird auch unterstützt durch die Etablierung des Kunstwerkes im öffentlichen Raum. Es werden innerhalb des Prozesses und im anschließenden Ausstellungsformat vereinfachte Zugänge geschaffen, die zur Demokratisierung von Kunst beitragen. Zudem fördert diese Form von Kollaboration die regionale Identität, indem lokales Wissen durch den Einbezug junger Menschen modernisiert und neue geteilte Realitäten geschaffen werden, die Inklusion, gemeinsame Perspektiven und Vielfalt ermöglichen. Die transformative Kraft der Kunst bietet die Möglichkeit, neue Perspektiven zu eröffnen und auf emotionaler und kreativer Ebene Veränderungen herbeizuführen. Die positiven Auswirkungen des Projekts auf die Gemeinschaft und das Stadtgebiet sind vielfältig. Es schafft Zugänge zu Kunst und Kultur im öffentlichen Raum und findet somit auch Platz außerhalb formaler Institutionen. Auch fordert das Projekt heraus, Kinder und Jugendliche aktiv an der Umgestaltung des Büchels zu beteiligen, aus ihrer ganz eigenen Perspektive.

Tim Berresheim, *1975 in Heinsberg, ist ein multimedialer bildender Künstler. Seine Werke umfassen 2D- und 3D-Drucke, Fotoabzüge und Plastiken, Augmented Reality-Skulpturen und -videos sowie verschiedene Kunst-am-Bau-Projekte. Bestrebt, in seinen Werken die Komplexität unserer Zeit wiederzugeben und Betrachtende vor neue Aufgaben in der Bildrezeption zu stellen, kreiert Berresheim intensive Erlebniswelten an der Schnittstelle Kunst/Forschung/Technologie.

Datenmengen statt Farbe, Pixel statt Pinselstriche, Augmented Reality statt Holzskulptur: Seit 2002 erzeugt er mit Maus und Tastatur, was alte Meister einst mit dem Dachshaarpinsel tupften. Stets verfolgt er das Ziel, mit aktuellster Technik etwas radikal Neues zu kreieren. Dabei setzt er seine Bildmanipulationen vielfältig um: Er schafft Computerbilder, Fotografien oder Siebdrucke bis hin zu ganzen Rauminstallationen, die Stillleben, Raumillusionen und Zukunftsvisionen darstellen. Das Ergebnis sind außerordentlich prägnante, eigenwillige, nicht selten rätselhafte Bilder – die sich oftmals mit einer vom Künstler entwickelten Augmented Reality App zum Leben erwecken lassen.

Berresheim lebt seit vielen Jahren mit seiner Familie in Aachen. Er fühlt sich seiner Heimatregion und der Stadt äußerst verbunden, weshalb er immer wieder gerne hier künstlerisch aktiv ist und dabei als Gegenwartsarchäologe Fundstücke und seine Kunst kontextualisiert.