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Deutschlands erster ständiger Bürger*innenrat in Aachen nimmt Fahrt auf

Aachen – Aufruf zur Themensuche – Themen für den ersten Bürger*innenrat können bis zum 10. März eingereicht werden. Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen: Es geht nicht um ein Diskussionsforum, sondern um ein wirksames Instrument, das Dinge in dieser Stadt nach vorne bringt und in der Umsetzung von den Menschen getragen wird.“

Bürger*innen aktiv in politische Prozesse einzubeziehen, ist inzwischen keine Besonderheit mehr. Dazu gehören in vielen Städten auch so genannte „Bürgerräte“ unterschiedlichster Art. In Aachen geht jetzt eine neue Form dieser Beteiligung an den Start: ein Bürger*innenrat als ständige, institutionalisierte Einrichtung mit begleitender Gremienstruktur, den es in dieser systematisch aufgestellten Form in Deutschland nach Aachener Kenntnis bislang nicht gibt. Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen schätzt besonders den partizipativen Ansatz dieses neuen Gremiums: „Der Bürger*innenrat ist ein zentraler Baustein des Bürger*innendialogs. Es geht nicht um ein Diskussionsforum, sondern um ein wirksames Instrument, das Dinge in dieser Stadt nach vorne bringt und in der Umsetzung von den Menschen getragen wird.“

Repräsentativ, freiwillig, per Los ausgewählt

Im Bürger*innenrat der Stadt Aachen werden 56 nach Alter, Bildung und Sozialräumen repräsentativ ausgewählte Bürger*innen vertreten sein. Die Teilnahme ist freiwillig. Der Bürger*innenrat kommt zwei- bis dreimal im Jahr zusammen und berät – unterstützt von Fachleuten – über ein relevantes städtisches Thema, das vorher von Mitbürger*innen vorgeschlagen und nach Diskussion im Bürgerforum vom Rat beschlossen wurde. Unterstützt wird der Bürger*innenrat von Fachleuten für das jeweilige Thema. Die Mitglieder des Bürger*innenrates werden jedes Jahr neu bestimmt.

Dana Duikers, Leiterin des Fachbereichs Bürger*innendialog und Verwaltungsleitung betont: „Hier kommen Menschen miteinander ins Gespräch, die sich sonst im Alltag kaum begegnen, und sprechen in einem moderierten Rahmen über ein Thema, das alle bewegt – zum Beispiel: Wie schaffen wir mehr soziale Gerechtigkeit? Wie können wir unseren Straßenraum für die unterschiedlichen Nutzer*innen aufteilen? Wie kann unsere Stadt krisensicher werden? Durch die Diskussion erfolgt ein Perspektivwechsel, und Politik und Verwaltung erhalten eine unmittelbare Empfehlung aus der Bürgerschaft. Das ist für alle ein Gewinn.“

Themen für 2023 können bis zum 10. März eingereicht werden

Alle Aachener*innen ab 16 Jahren sind aufgerufen, eine Frage oder ein Thema einzureichen. Das Thema sollte für die gesamte Stadt relevant sein. Und: Es muss von der Stadt Aachen selbst entschieden werden können. Damit es ins Auswahlverfahren kommt, müssen sich zudem 125 Menschen für das Thema ausgesprochen haben. Ein Begleitgremium des Bürger*innenrates sichtet die Themen und spricht nach festen Kriterien eine Empfehlung in Form eines Bürger*innen-Gutachtens aus. (Zu Beginn sind in diesem Gremium Menschen aus Politik, Verwaltung und der Initiative „Bürgerrat Aachen“ aktiv. Zukünftig wird das Begleitgremium aus Mitgliedern der vorherigen Bürger*innenräte zusammengesetzt.) Fünf Themenvorschläge werden öffentlich in einer Sitzung des städtischen Bürgerforums vorgestellt und mit den Bürger*innen diskutiert. Danach wird im Rat der Stadt Aachen über die Ergebnisse entschieden. Wenn der Rat zustimmt, erhält die Verwaltung den Auftrag, das Bürger*innen-Gutachten umzusetzen.

Bis zum 10. März 2023 haben alle Einwohner*innen in der Stadt Aachen die Möglichkeit, Themenvorschläge für das Jahr 2023 einzubringen. Das geht per Mail an buerger_innenrat@mail.aachen.de oder per Post an: Stadt Aachen, Fachbereich Bürger*innendialog und Verwaltungsleitung, Albert Halfmann, Verwaltungsgebäude Katschhof, Johannes-Paul-II.-Straße 1, 52062 Aachen.

Mathias Dopatka, SPD, erklärte als Vorsitzender des Bürgerforums: „Wir treten an Menschen heran, die vielleicht noch nie darüber nachgedacht haben, wie sie sich in der Stadt einbringen können. Aus Sicht der Politik kann ich nur sagen: Wir gehen davon aus, dass wir auf diese Art Ideen hören werden, die wir sonst gar nicht auf dem Schirm gehabt hätten. Und darauf freue ich mich sehr.“

Das Bürger*innen-Sekretariat sorgt für Kontinuität

In der Verwaltung wird es eine Stelle geben, die den Bürger*innenrat unterstützt und begleitet. Dieses Bürger*innen-Sekretariat ist auch die Anlaufstelle für alle Fragen rund um den Bürger*innenrat. Das Bürger*innen-Sekretariat wacht zudem über die Unabhängigkeit des Verfahrens und sorgt für die Kontinuität des Bürger*innenrats. Es stellt die Qualität und die Umsetzung der Ergebnisse sicher und ist verantwortlich für die ständige Verbesserung der Prozesse. Der Bürger*innenrat tagt jährlich zu einem neuen Thema. Dabei ist es wichtig, dass die Ergebnisse auch umgesetzt werden und die Fragen von einer hohen Qualität sind, um tatsächlich einen Mehrwert zu liefern. Dazu wird der Bürger*innenrat laufend weiterentwickelt und mit den Bürger*innen gemeinsam verbessert.

Das Vorbild stammt aus der Grenzregion

Gereon Hermens, Sprecher der Initiative „Bürgerrat Aachen“ bedankte sich bei Politik und Verwaltung für die Umsetzung der Idee und betonte, wie wichtig das Format für den Zusammenhalt einer Stadt sei: „Es wird dazu führen, dass wir mehr Gemeinsamkeit und Gemeinschaft in dieser Stadt erleben können.“ Anregungen für diese Form der Beteiligung fand die Aachener Initiative „Bürgerrat Aachen“ in der direkten Nachbarschaft Aachens, in Ostbelgien. Als Vorreiterin hat die Stadt Eupen bereits seit vier Jahren Erfahrung mit dem Bürgerrat. Eingerichtet wurde er, um das Vertrauen der Bürger*innen in Politik wiederherzustellen. Zugleich erhofft sich die Deutschsprachige Gemeinschaft, das Verständnis für die politischen Entscheidungsprozesse zu fördern und damit die demokratischen Institutionen zu stärken.

Als Sprecherin der Arbeitsgruppe, die sich arbeitsintensiv für den Bürger*innenrat engagiert hat, nennt Hilde Scheidt, DIE GRÜNEN, das neue Gremium einen „Booster für Demokratie“. Es sei eine Riesenchance für die Stadt, den Bürger*innen wirklich auf Augenhöhe zu begegnen: „Wir müssen dieses Wagnis eingehen, auch wenn es um kritische Fragen geht.“

Eine aktuell in den städtischen Citylights laufende Plakataktion zeigt Menschen, die bereits Themen eingereicht haben. Der Zeitplan: Im März entscheidet das Begleitgremium über die Relevanz der Fragen, im April werden sie in einer öffentlichen Sitzung beraten. Noch vor der Sommerpause sollen 3.000 repräsentativ ausgewählte Personen angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert werden. Über ein Losverfahren werden 56 Menschen ausgewählt. Voraussichtlich nach der Sommerpause wird dann die erste Sitzung des Bürger*innenrates stattfinden können.

Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen bringt es zum Abschluss der Pressekonferenz am 19. Januar 2023 noch einmal auf den Punkt: „Die Bürger*innen der Stadt wollen sich einbringen, nicht nur zu Themen, die tagespolitisch relevant sind, sondern zu allen Lebensbereichen. Die Idee eines Bürger*innenrates von den Menschen der Stadt für die Menschen der Stadt bietet die Möglichkeit, die Themen, die die Menschen besonders beschäftigen, breit zu diskutieren und politisch nach vorne zu bringen. Ich freue mich auf die Vorschläge und Ideen zum ersten ständigen Bürger*innenrat, der meine volle Unterstützung hat.“

Infos sind auf der Internetseite des Bürger*innenrates zu finden unter aachen.de/buerger_innenrat.