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Geschult um Leben zu retten

Mechernich – An 32 Stellen im Mechernicher Stadtgebiet werden öffentlich zugängliche Defibrillatoren installiert – Erste Einweisung für Ersthelfer aus Eicks, Eiserfey, Holzheim, Obergartzem, Roggendorf, Satzvey und Weyer. Jan-Niklaas Feller prüft die Atmung, dann geht er rasch zur Herzdruckmassage über. Mit kräftigen Bewegungen bearbeitet er die Brust der Übungspuppe, die im Mechernicher Ratssaal liegt. Derweil ist Michael Gissinger mit dem Defibrillator zur Stelle, ein Übungsgerät. Er öffnet den handlichen weißen Kasten und ab da wird er von leicht verständlichen Bildern und einer Stimme mit klaren Ansagen durch den restlichen Prozess gelenkt. Wenn alles optimal läuft, retten die beiden mit ihrer Ersten Hilfe und dem Defibrillator Leben.

Weil bei solchen Einsätzen jede Sekunde zählt, sollen jetzt an 32 Stellen im Mechernicher Stadtgebiet öffentlich zugängliche Defibrillatoren installiert werden. „Bis zum Ende des Jahres wollen wir alle Standorte ausgerüstet haben“, sagt Jens Schreiber. Finanziert werden die rund 2000 Euro teuren Geräte in der Hauptsache über die Stadt, ein Eigenanteil soll bei den jeweiligen Orten verbleiben.

„Der Weg zum Notfall ist schwer“

Jetzt erhielten die ersten Vertreterinnen und Vertreter aus den Orten Eicks, Eiserfey, Holzheim, Obergartzem, Roggendorf, Satzvey und Weyer die Einweisung für den Umgang mit den Defibrillatoren. Dafür ist Michael Gissinger vom Verein „Lebensretter im Kreis Euskirchen e.V.“ zu Gast im Mechernicher Rathaus. Der Verein ist extra für Schulung, Beschaffung, Wartung und Versicherung der Geräte gegründet worden. Gissinger selbst ist erfahrener Rettungsassistent. Er weiß: „Der Weg zum Notfall ist steinig und schwer und erfordert Mut, aber der Umgang mit dem AED ist spielend einfach.“

Um das zu beweisen, öffnet er das AED, das übrigens für automatisierter externer Defibrillator steht, und sogleich ertönt die erste Anweisung per Stimme. Bitte den Oberkörper des Patienten frei machen. Bild eins unterstreicht die Anweisung. Dann werden die Patches auf den Oberkörper geklebt. Wo? Auch das ist auf den Bildern leicht zu erkennen.

„Das Gerät zeichnet dann ein EKG auf“, sagt Gissinger. Die Daten würden gespeichert und seien für eine spätere Behandlung von besonderer Bedeutung. „Daher sollte der Rettungsdienst das Gerät auch immer mitnehmen“, so der stellvertretende Vorsitzende des Euskirchener Lebensretter-Vereins. Wenn das versäumt wird, kann der Verein die Daten aber auch zu einem späteren Zeitpunkt auslesen.

Es geht um jede Sekunde

Im Einsatz geht es dann weiter mit den Anweisungen. Das Gerät weist die Ersthelfer an, vom Patienten wegzubleiben. Ein roter Knopf leuchtet auf, beim Drücken wird der Defi ausgelöst. Je nach Zustand des Patienten wiederholen sich die Anweisungen dann.

„Wenn das Herz eines Menschen aufhört zu schlagen, geht es um jede Sekunde“, sagt Michael Gillinger. Daher sind die Ersthelfer so wichtig. Über die App „corhelper“ können sie noch schneller und besser alarmiert werden. Rund 650 Ersthelfer seien dort für den Kreis Euskirchen registriert – jeder weitere zählt.

Die App funktioniert so, dass bei einem Notfall die Helfer, die sich in der Nähe befinden, eine Nachricht auf ihr Handy bekommen. Kann der Ersthelfer den Notfall übernehmen, wird er per Navigation zum Einsatzort gelenkt, um Sofortmaßnahmen wie die Herzdruckmassage zu starten. „Erst der zweite Helfer wird zum Defibrillator geschickt, um das Gerät zu holen“, so Gissinger zu den Teilnehmern der Schulung.

Hinweisschilder in Planung

Die hatten reichlich Fragen. Zum Beispiel: Kleben die Pads bei stark behaarten Patienten? „In der Regel ja“, antwortete Gissinger: „In 24 Jahren Rettungsdienst habe er nie Probleme gehabt. Zur Sicherheit erhalten die AEDs eine kleine Tasche mit Schere, Rasierer, FFP2-Maske und Handschuhen.“ Oder: Sind Hinweisschilder zu den Defibrillatoren geplant, damit auch Fremde wissen, wo die Geräte hängen? Auch dafür sind laut Gissinger Lösungen in Arbeit wie ein „Herzweg“ mit kleinen Schildern oder eine digitale Karte. Zudem wurde die Frage nach der Nachhaltigkeit der Akkus gestellt. Zwar müssten die nach Gebrauch ausgetauscht werden, so Gissinger, aber nach einer Aufarbeitung erhalten die Akkus ein zweites Leben in Haushaltsgeräten.

Einsatz für mehr Defibrillatoren

Der Akku beim Übungsgerät ist noch bestens in Schuss und so können die Schulungsteilnehmer eigenhändig üben. Jan-Niklaas Feller braucht das nicht mehr. Er arbeitet hauptberuflich im Rettungsdienst und ist bei der Freiwilligen Feuerwehr in Eiserfey aktiv. Da ist es für ihn selbstverständlich, sich für mehr Defibrillatoren einzusetzen. „In Holland sind sie viel weiter, was das Thema angeht. Da sind auch Polizeiautos mit den Geräten ausgestattet. Da müssen wir hinkommen“, erläutert er seine Motivation.

Jörn Hücks Antrieb ist einerseits persönlicher Natur – seine Eltern seien über 80 Jahre alt –, andererseits will sich der Roggendorfer Firmeninhaber auch für die Allgemeinheit einsetzen. Und für Hildegunde Schumacher aus Holzheim und ihre Mitstreiter ist klar: „Man kann ja auch mal selbst betroffen sein. Dann ist man froh, wenn einem geholfen wird. Daher gehen wir mit gutem Beispiel voran.“