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Auch der Flutopfer gedacht

Kall – Nebel lag am Volkstrauertag über dem Soldatenfriedhof in Steinfeld, wo die zentrale Gedenkfeiert der Gemeinde Kall für die Opfer der beiden Weltkriege stattfand. Doch auch den Opfern von Gewalt und Terror auf aller Welt sowie des schlimmen Hochwassers im Juli dieses Jahres wurde gedacht.

Nebel lag über dem Soldatenfriedhof in Steinfeld, wo die Gedmeinde Kall in einer Feierstunde nicht nur der Toten beider Weltkriege gedachte, sondern auch an die Opfer der Flutkatastrophe im Juli erinnerte. Foto: Reiner Züll

Nach einen Hochamt in der Basilika des Klosters Steinfeld erfolgte der Gang zum Friedhof, wo Ansprachen und die Kranzniederlegung stattfanden. Teilnehmer der Feier, die unter dem Kommando des Leiters der Feuerwehr der Gemeinde Kall, Gemeindebrandinspektor Harald Heinen, stand, waren Vertreter der Gemeinde und der Kirchen, die Feuerwehren aus Kall und Wahlen, das DRK Kall, die St. Rochus-Bruderschaft Wahlen, die Musikapelle Urft und die Reservisten-Kameradschaft Dahlem, die den Kranz zur Gedenkstätte trug. Die Zahl der Ratsmitglieder hielt sich allerdings in Grenzen.

Bürgermeister Hermann-Josef Esser rief in seiner Gedenkrede die Bürger auf, dankbar zu sein und wachsam zu bleiben. Foto: Reiner Züll

Bürgermeister Hermann-Josef Esser hielt die Gedenkrede, in der er allen Beteiligten der Gedenkfeier dankte. Esser erinnerte daran, dass der Erste Weltkrieg fast auf den Tag genau vor 103 Jahren am 11. November 1918 geendet habe, der zweite im Mai 1945. Die Zeitzeugen des ersten Wiederaufbaus lebten alle nicht mehr und auch die Generationen, die die Heimat damals nach dem zweiten Krieg wieder neu errichtet hätte, würden zunehmend weniger.

Bürgermeister Esser: „Man mag sich die Umstände nicht vorstellen, unter denen die Menschen damals den Wiederaufbau angehen mussten, einige zum zweiten Mal in ihrem Leben. Es fehlte an allem: Geld, Material, Gerätschaften – und häufig auch Nahrung“. Man sei diesen Generationen heute zu großem Dank verpflichtet.  Sie hätten die Grundlagen geschaffen für ein Leben in Frieden.

Die Bilder nach der Flutkatastrophe erinnerten an Fotos vom Ende des zweiten Weltkrieges. Die heutigen Voraussetzungen für einen Wiederaufbau seien ungleich besser als damals. Dennoch stelle der Wiederaufbau eine bisher ungeahnte Herausforderung an. „Aber wir sind in der Pflicht gegenüber unseren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, mit dem Wiederaufbau deren Erbe zu bewahren“, sagte der Bürgermeister, der allen Menschen dankte, die den Flutopfern nach der Katastrophe geholfen hätten. Aus ganz Deutschland seien Helfer nach Kall gekommen.

Die hiesigen ehrenamtlichen Organisationen wie Feuerwehr und DRK hätten ihre Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. „Die Vertreter des DRK und der Freiwilligen Feuerwehr darf ich daher hier und heute erneut herzlich begrüßen und darf Ihnen meinen tiefempfundenen Dank aussprechen“, so Esser. Wenn es auch am Volkstrauertag nicht üblich sein möge, so bat der Bürgermeister die Anwesenden dennoch um einen Applaus für alle Helfer und ehrenamtlichen Kräfte. Diesem Wunsch kamen die Teilnehmer der Gedenkfeuer gerne nach.

Leider seien den Helfern aber auch schmerzlich unsere Grenzen aufgezeigt worden. „Drei Tote in der Gemeinde sind zu
beklagen, viele Angehörige der Feuerwehren und anderer Rettungs- und Hilfsorganisationen im Rheinland verloren in der Katastrophennacht ihr Leben. Auch ihrer gedenken wir heute“, so der Bürgermeister, der mahnte: „Neben dem Dank sind wir auch der Wachsamkeit verpflichtet- gegenüber den Generationen vor uns, ebenso unter den Menschen heute, im Miteinander in Staat und Gesellschaft“.

Man müsse wachsamer werden gegenüber der Natur und der Nutzung begrenzter Ressourcen unserer einzigen Erde, man müsse wachsam bleiben im Umgang untereinander. Esser: „Nach der Flut haben mir viele Menschen gesagt, man erkenne jetzt, was wichtig sei im Leben: die einfachen Dinge, die man zum Leben braucht, das Miteinander, die Gesundheit“.

Leider aber schlage bei einigen das Pendel wieder in eine andere Richtung. Esser: „Erneut machen sich Ungeduld, Anspruchsdenken, Egoismus und die Jagd nach den letzten fünf Prozent an Geld, Macht oder Prestige breit. Dabei sind es Achtsamkeit und Empathie, die in den kommenden Monaten und Jahren entscheidend sein werden für ein friedliches Miteinander in unserer Gemeinde und der Gesellschaft insgesamt“.

Besondere Wachsamkeit erfordere auch das Engagement gegen Extremismus, Nationalismus, Verfolgung, Terror und rechter Gewaltherrschaft.  Es sei unerträglich, dass Netzwerke des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes unverändert weiter beständen und die Strukturen hinter den drei Haupttätern bis heute nicht aufgeklärt seien.

Esser erinnerte auch an die Flucht von Menschen vor Krieg, Terror und Vertreibung. Hier sei auch zukünftig volles Engagement und Wachsamkeit gefordert. Ein schlimmes Beispiel spiele sich derzeit an der Grenze von Belarus und Polen ab. Esser: „Die Bilder von hungernden, frierenden und instrumentalisierten Menschen an der Grenze zum totalitär beherrschten Belarus dürfen uns im
wahrsten Sinne des Wortes nicht kalt lassen. Die Aufnahme und Betreuung geflüchteter Menschen ist und bleibt für die von der Flut betroffenen Gemeinden eine besondere Herausforderung“.

Der Bürgermeister äußerte sich überzeugt, dass es, wie bereits in den Jahren nach 2015, gelingen werde, diese Aufgabe in der Gemeinde Kall zu meistern, und zwar im Miteinander von ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern, der Verwaltung und weiteren engagierten Institutionen.

Esser Rede schlossen sich Gebete des Steinfelder Paters Georg Herr und Musikvorträge des Musikvereins Urft an. Soldaten der Reservistenkameradschaft Dahlem legten den Kranz am Ehrenmal nieder. Mit der Nationalhymne endete die Gedenkfeier.