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„Eichhörner“ frönen 25km/h-Lust

Vussem – Vussemer Frauen und Männer hat das Zweitaktfieber gepackt – Mofa-Fahren „entschleunigt“ – Tüfteln und schrauben gehört dazu – Erster Auffahrunfall – Neuer Vussemer Verein von Ex-Junggesellen gegründet – Ellen Vogels Hercules-Traum wird (endlich) wahr.

Mofa-Fahren ist nicht nur was für „coole Männer“, sondern auch was für Frauen, sagen, v.l.: Ellen Vogel, Lena Bruns und Katharina Kreuzmann. Vorne die zehnjährige Paula, die sehnsüchtig darauf wartet 15 zu werden, um den Führerschein für das motorisierte Fahrrad machen zu können. Foto: Kirsten Röder/pp/Agentur ProfiPress

Junggesellen haben ein großes Problem: Nach der Hochzeit sind sie dem Single-Verein quasi entwachsen. Was man(n) dann macht? Einen Alt-Junggesellenauffangverein gründen? „Nee“, formiert sich eindeutig Protest. In Vussem frönen sie lieber einer neuen Leidenschaft: dem Mofa-Fahren. Gemeinsam mit Frauen, denn das weibliche Geschlecht ist bei der Bande genauso willkommen. Als Untersatz wurden Vehikel aus früheren Zeiten entmottet und ausgewählte Oldtimer kurzerhand im Internet ersteigert. Der typische Zweitaktduft der Fahrräder mit Hilfsmotoren zieht in Vussem nun immer häufiger durch die Lüfte.

Jugenderinnerungen werden wach angesichts des Fuchsschwanzes am Lenkrad, dem Hand rechts oder links rausstrecken, wenn man abbiegen will, dem Treten des Pedals zum Starten. Aber sind wir ehrlich: Damals war es für die Jugend vor allem das Symbol für Glückseligkeit, es war die Chance dem eigenen, engen Dorfradius zu entfliehen, ohne Eltern mobil zu sein, ein Gefühl von grenzenloser Freiheit – zumindest solange man das nötige Kleingeld zum Tanken hatte. Heute wiegen andere Eigenschaften der „Mopeds“ oder „Töfflis“ wie sie die Schweizer liebevoll nennen. „Es entschleunigt“, so Tobias Kreuzmann (36), wenn man mit 25 km/h durch die Lande fährt.

Letztlich sind er und seine Kumpels aus der Nachbarschaft, Tim Ohles (23) und Swen Bruns (33) „Schuld“ am Zweitaktfieber. Das Vussemer Trio hat die Idee geboren. Sie sind die Gründungsmitglieder des Vereins, der sich „Evil Eichhorns Mofasport Bande“ taufte. „Die Idee war schon lange da. Uns hat aber die zeitliche Ressource gefehlt, das umzusetzen. Das ist tatsächlich eine ganze Menge Arbeit.“ Nicht das Fahren an sich, sondern vielmehr den Untersatz fahrbar zu machen. Denn, so Kreuzmann: „Die Mopeds werden selten in gutem Zustand gekauft, sondern eher mit viel Fleiß und Liebe parat gemacht.“

„Etwas verwahrlost“

Tobias Kreuzmann brauchte sein 40-Jahre-altes eingemottetes Gefährt, eine Hercules Prima 4S „nur“ reaktivieren. 20 Jahre wartete das gute Stück in Mamas Gartenhaus auf die nächste Ausfahrt. „Etwas verwahrlost“, wie Kreuzmann zugibt. Tim Ohles und Swen Bruns taten es ihm gleich und gruben ihre Vehikel ebenfalls aus. Dann wurde gemeinsam geschraubt und getüftelt, die ersten Touren rund um Vussem und in die Eifel gestartet, sogar 180 Kilometer nach Bad Breisig absolviert und nicht zuletzt ein eigenes Mofa-Vereins-Manifest geschrieben mit Verhaltensregeln und „was wir so vorhaben“, sagt Kreuzmann.

Der Verein wuchs und wuchs, fast von alleine. Vor der Haustür, unter Freunden, Nachbarn und Passanten traf man leicht auf Gleichgesinnte im Herzen. „Geil, Mofa!“, höre man dann. „Sobald einer mal nur testweise die Straße hoch und runtergefahren ist, hat es ihn gepackt“, berichtet Ohles. Bruns beschreibt: „Ist wie Fahrradfahren, nur halt nicht so anstrengend.“ Technikwissen benötige man als Vereinsmitglied nicht zwingend: „Wer nicht schrauben kann, dem wird geholfen.“

So wird Mofa für Mofa neu aufgebaut, lackiert, jedoch soweit wie möglich im Original belassen. Fehlende Ersatzteile werden nicht nur im Internet gesucht und ersteigert: „Es gibt tatsächlich auch gute Shops“, so Kreuzmann. Für einst gängige „Hercules“-Maschinen bekäme man fast alles, für „Solo“ sei es vergleichsweise schwerer. Letztere, ein ebenfalls deutscher Hersteller, hat heute nur noch Klein- und Flugmotoren, Pflanzenschutz- und Blasgeräte sowie Trennschleifer im Programm.

„Aus Versehen“

Unter den Vereinsmitglieder-Mofas sei ohne Zweifel das schönste restaurierte Hercules von Lena Bruns mit Baujahr 1976. „Aus Versehen“, sei sie auf das Schmuckstück gestoßen. „Ohne wirklich hinzugucken, habe ich bei der Suche im Internet auf das Angebot geklickt“, sagt sie lachend. Heute erst ist ihr klar, dass sie mit ihrem Glück ein richtiges Schnäppchen ersteigert hat. „Top in Schuss“, sei das Moped. Einen extra Mofa-Führerschein habe sie nicht. Mit ihrem Autoführerschein sei das Zweitaktmotorfahren mit einer maximalen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h aber inklusive.

Sie sei sofort angefixt gewesen, als ihr erstmals der Plan vom Mofa-Club zu Ohren gekommen war. „So coole Hobbies gibt es immer nur für Männer“, beneidete sie die „Jungs“ zunächst bis sie hörte, dass auch Frauen selbstverständlich mitmachen dürfen und sollen. Im Moment ist die Verteilung ausgewogen, sechs Frauen, sechs Männer, schwingen sich in den „Sattel“ der kleinmotorigen Fahrräder. „Mega“, sagt sie, sei die erste Tour mit den Gleichgesinnten gewesen.

Schon von weitem sind die „Eichhörnchen“ zu sichten, nicht nur, weil sie meist im Rudel fahren, sondern an ihrem gemeinschaftlichen Vereinsoutfit: Hemd, schwarz-weiß-kariert für die Männer, pink-weiß-kariert für Frauen, das Vereinslogo ziert den Rücken, selbstgemachte Pins (wie es sie in den 80er-Jahren gab) die Ärmel.

Erster Auffahrunfall

Trotz, dass der Verein noch jung ist, haben sie alle jetzt schon viel zu erzählen. Der erste Auffahrunfall innerhalb der Gruppe an einer Ampel ist erlebt. Und mehr, sagt Carsten Vogel: „Wir könnten auch eine Statistik anfangen, wie viele Mofas auf so einer Ausfahrt nicht nur ausfahren, sondern auch wieder heimkommen.“ Sind halt alles Oldtimer, mit denen gefahren wird. „Neu gibt es die gar nicht mehr“, fügt Bruns erklärend hinzu. 19.254 Kilometer stehen auf dem Tacho von Lutz Gülden und seiner Herkules Prima 5 – er hat damit die meisten.

„Was das Schöne am Verein ist, wir sind nicht mehr wie bei den Junggesellen an eine Altersstruktur gebunden“, sagt Ohles. Auch die zehnjährige Paula wartet jetzt schon sehnsüchtig darauf, endlich 15 zu werden, um den Mopedführerschein zu machen.

Aber auch Träume macht der Verein wahr – wie bei Ellen Vogel: „Ich habe 1979 den Führerschein gemacht und dann hatte ich eine blaue Peugeot. Die wollte ich aber eigentlich gar nicht. Viel lieber wäre mir eine Hercules gewesen.“ Das Peugeot-Modell war aber nun mal günstiger und mit Nebenjobs finanzierbar gewesen. Jetzt, mit 58 Jahren, endlich, besitzt sie ihr Traummofa und düst damit glücklich mit den anderen „Eichhörnern“ durch die Lande.