Mechernich – „Die Bestattungskultur ändert sich drastisch und rasant“, konstatiert Silvia Jambor, die unter anderem für das Friedhofswesen zuständige Fachbereichsleiterin der Stadtverwaltung Mechernich: „Der Trend geht weiterhin verstärkt zur Urne und in den Wald.“ Gab es im Jahr 2000 im Stadtgebiet noch 231 Sargbestattungen und 27 Urnenbegräbnisse, so hat sich das Verhältnis gedreht. 2022 gab es 63 Sarg- und 190 Urnenbestattungen.
Das klassische Familiengrab und Reihengräber werden immer seltener mit verstorbenen Angehörigen belegt, Lebende wünschen sich selbst nach ihrem Tod zunehmend Bestattungsformen unter Bäumen, am liebsten direkt im Friedwald, Ruheforst oder Gotteswald. „Auch ringförmig um Bäume gelegte Urnengräber mit Gedenktafeln an die Verstorbenen, über die die Bauhofarbeiter mit dem Rasenmäher fahren können, genießen zunehmend Beachtung“, so Jacky Langhanke, die zuständige Verwaltungsmitarbeiterin für das Friedhofswesen.
Hauptgrund für die Entwicklung sei die Sorge um die Grabpflege durch die Nachkommen. Selbst wenn die Verstorbenen selbst die Gräber ihrer Ahnen zu Lebzeiten jahrzehntelang gepflegt haben: Den eigenen Nachkommen will kaum jemand zumuten, 30 Jahre Unkraut zu jäten, Blumen zu pflanzen und Kerzen anzuzünden.
Gesellschaftliche Veränderungen
„Die Stadtverwaltung Mechernich kann die Trends im gesellschaftlichen Wandel nicht ignorieren“, so Fachbereichsleiterin Silvia Jambor: „Natürlich entwickeln wir neue Bestattungsformen wie das Urnengrab unter Bäumen.“ Zum Beispiel im ökologischen Friedhofswald auf dem Gelände des Kallmuther Friedhofs. „Dort kann man sich auch anonym bestatten lassen“, so der Kallmuther Ortsbürgermeister Robert Ohlerth, der sich vehement für den Friedhofswald im Dorf eingesetzt hat.
„Das mit der Anonymität ist nicht ganz zutreffend“, so Fachbereichsleiterin Silvia Jambor: „Man kann sein Grab unterm Baum mit einem Namenschild versehen lassen, muss es aber nicht. Was im Ergebnis dazu führt, dass die namenslose Grabstätte für Dritte nicht ohne weiteres auffindbar ist: „Anonym ist das aber nicht, die Friedhofsverwaltung weiß genau, wer wo liegt.“
Robert Ohlert sagte den Medien bei Etablierung des neuen Gemeinschaftsbaumsystems für Familien, Vereine und Freundeskreise auf dem Kallmuther Friedhof, er wolle verhindern, dass Angehörige ihre Verstorbenen weit außerhalb des Dorfes in kommerziellen Friedwäldern bestatten müssten. Ohlerth ist davon überzeugt, dass das Experiment Friedhofswald Anklang in der Bevölkerung findet, auch über Kallmuth und die Pfarrei St. Georg hinaus.
Man kann sich dort wie in den bisherigen Urnengräbern unter Bäumen einzeln, als Paar und mit anderen bestatten lassen. Familien können ganze Bäume für sich in Anspruch nehmen, unter denen bis zu acht Urnen Platz finden. „Theoretisch können sich auch andere Personengruppen zusammentun, um später einmal unter Gemeinschaftsbäumen ihre gemeinsame letzte Ruhe zu finden“, so Jacky Langhanke.
5200 Euro für Familienbaum
Beispielsweise Feuerwehren oder Vereine, so die Fachbereichsleiterin. „Oder auch Freundeskreise und Nachbarschaften“ wie Ortsbürgermeister Robert Ohlerth dem Mechernicher „Bürgerbrief“ sagte. „Man muss diese Mehrfachgrabstellen dann allerdings auch en bloc erwerben, auch wenn sie erst später und nach und nach belegt werden“, so Silvia Jambor. Ein Familienbaum für bis zu acht Urnen kostet 5200 Euro, ein Urnengrab unterm Gemeinschaftsbaum 2000 Euro.
Reihengräber in städtischer Pflege kosten 1800 Euro. Urnenreihengräber unter Bäumen in städtischer Pflege 1900 Euro. Für Wahlgrabstätten müssen 1800 fürs Einzelgrab und 2800 Euro fürs Doppelgrab entrichtet werden. Für eine Sechsergrabstätte verlangt die Kommune 6800 Euro. Der Samstagszuschlag für Beisetzungen am Wochenende beträgt 100 Euro.
Trauer und Trennung werden heute nicht mehr jahrelang durch Gottesdienste, Riten und Bräuche begleitet, so die Erfahrung von Geistlichen und Bestattern im Stadtgebiet, sondern mehr und mehr unter Entsorgungs-Gesichtspunkten.
Bereits länger gibt es Urnenreihengräber und Gräber unter Bäumen in städtischer Pflege. „Allerheiligen bis Ostern ist Grabschmuck erlaubt“, stellt Jacky Langhanke vom Friedhofsamt klar: „Den Sommer über nicht.“ Viele Angehörige müssten das erst noch lernen. „Nach Ostern müssen die Gräber und Grabplatten abgeräumt werden“, so Silvia Jambor.
Aufs Aschefeld für 500 Euro
Es sei aufwändig, wenn die Bauhofmitarbeiter immer wieder vom Aufsitzmäher steigen müssten, um Vasen, Blumenschalen und Leuchten wegzuräumen. An den Urnengräbern unter Bäumen in Kallmuth verwiesen Jacky Langhanke und ihre Chefin Silvia Jambor auf ringförmige gepflasterte Flächen, auf denen Grabschmuck dauerhaft abgestellt werden kann, ohne den Bauhof zu behindern.
„Anonyme“ Bestattungen im Wortsinn sind auf den städtischen Friedhöfen nicht vorgesehen. Selbst das Verstreuen auf dem Aschefeld (Kostenpunkt 500 Euro) wird beim Friedhofsamt registriert, auch die Angehörigen wissen, wo die Asche hingekommen ist.
Bei einem Ortstermin auf dem Kallmuther Friedhof sagte Ortsbürgermeister Robert Ohlerth, dass er sich für möglichst vielfältige Beerdigungsformen einsetze: „In erster Linie für unsere Leute, aber auch für Menschen von außerhalb der Pfarre St. Georg.“ Wer nach der Beerdigung eine Kaffeetafel vor Ort arrangiert haben möchte, kann das im örtlichen Bürgerhaus „Alte Schule“ haben. Interessenten wenden sich an ihn unter Tel. (0 24 84) 13 31, Handy (0 152) 53 26 12 51.