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Kunst & Kultur

Erhaltung eines alten Brauches – Das Kaller Maigeloog

Kall – Das Kaller Maigeloog pflegt mit dem Verkuppeln von Paaren eine über 100 Jahre alte Tradition – Die Listen werden im Saal Gier hinter verschlossener Tür zusammengestellt – Kiste Bier bewirkt Wunder, denn Bestechen ist erlaubt – Philipp Uhlemann ist „Hötjong“ – Umzug und Mai-Ball im Saal Gier.

Am Rand der Gemünder Straße lauschen die Kaller der Botschaft des Maigeloogs. Gespannt wartet man auf die Bekanntgabe des Königspaares. Foto: Reiner Züll

Wie alt der einzigartige Maibrauch in Kall wirklich ist, weiß keiner mehr zu sagen. Sicher aber ist, dass das Ausrufen der Maipaare, das darauffolgende Mai-Singen und der Umzug der Paare am Maifeiertag mit anschließendem Ball eine über 100jährige Tradition hat. Es ist das Maigeloog, das diesen alten Brauch seit Jahrzehnten aufrecht hält, und zum Beginn des Wonnemonats junge Frauen und Männer im wahrsten Sinne des Wortes als Maipaare „verkuppelt“.

Um die Maifeierlichkeiten vorzubereiten, treffen sich die Geloogsjungen seit Wochen hinter verschlossener Tür im Saal Gier. Bei diesen Treffen geht es nicht nur um den Programmablauf Feier am Maitag. Was die Mitglieder des Maigeloogs als geheime Kommandosache behandeln, ist die Liste der Maipaare, die die Junggesellen in ihren geheimen Sitzungen zusammenstellen, um sie am Vornachmittag des Maifeiertages öffentlich auszurufen. Dieses „Verkuppeln“ von Kaller Mädchen ab 16 Jahren und Kaller Jungen ab 18 Jahren zu Maipaaren ist das Besondere an dem über 100 Jahre alten Brauchs in Kall, der in dieser Form einzigartig in der Region ist.

Der Organisation der diesjährigen Maifeierlichkeiten voraus ging die Neuwahl des Geloogs-Vorstandes. Vorsitzender (Hötjong) ist Philipp Uhlemann, dem David Dietsch als Vize-Vorsitzender zur Seite steht. Als Beisitzer agieren Moritz Wirtz und Daniel Schade, Kassierer ist Marc Lange, zum Schriftführer wurde Jonas Dreßen gewählt.

Durch den Datenschutz ist das Ermitteln und traditionelle Verkuppeln der Maipaare schwerer geworden. Direkt nach Karneval beginnen die Junggesellen deshalb mit dem Recherchieren nach Jungen und Mädchen, die für die Zusammenstellung als Maipaare in Frage kommen. Im Schnitt sind es jedes Jahr rund 200 Paare, die auf die geheime Mailiste gebracht werden. Ebenso, bis zur letzten Sekunde, geheim gehalten werden auch die Namen des Maikönigspaares, das als letztes Paar vom Kaller Felsen an der Gemünder Straße ausgerufen wird.

Kaller Junggesellen, die mit einer besonders begehrten Herzdame ausgerufen werden wollen, haben nach der Einrichtung des Hauptquartiers des Geloogs auf dem Maiplatz am Hallenbad, noch die Gelegenheit, dem Geloog ihren Herzens-Wunsch vorzubringen. Die Spende einer Kiste Bier wirkt Wunder bei der Realisierung des Wunsches und der Änderung der Mailiste. Die Bestechlichkeit der Junggesellen hat schließlich eine genauso lange Tradition wie der Maibrauch selbst.

Jungen Frauen dagegen wird dieses Privileg des Bestechens nicht zugestanden, denn sie haben gar keine Möglichkeit, ihren Wunschprinzen mit Hilfe einer Kiste Bier oder einer Geldspende zu ergattern. Für sie gibt es erst gar keinen Zutritt zum Maiplatz, denn, so Hötjong Philipp Uhlemann: „Damenbesuch ist bis zum Beginn der eigentlichen Maifeierlichkeiten am Abend des 30. April absolut tabu“.

Viele Jugendliche opfern im Vorfeld der Maifeier ihren Urlaub für die Erhaltung des Kaller Maibrauches. Der Aufbau des Maiplatzes als Hauptquartier erfolgt in diesem Jahr am Mittwoch, 24. April, ab 9 Uhr morgens. Ab dann ist das Geloog bis zum Maifeiertag dort präsent, denn neben dem Abholen des Dorf-Maibaumes, dem Schlagen und Schmücken der Maibäume für die „Auserwählten“ der Geloogsjungen, gibt es viel zu tun.

Alle Kaller Jugendliche ab 16 Jahren sind herzlich zum Anpacken eingeladen, wenn am Samstag, 27. April, der Dorf-Maibaum mit aus dem Wald abgeholt wird. Treffen zum Abholen des Baumes ist um 14 Uhr am Maiplatz. Es werde wieder ein stattlicher Baum aufgestellt, verspricht Hötjong Philipp Uhlemann. Und der werde natürlich rund um die Uhr bewacht.

Mit der traditionellen Maimesse am Sonntagabend, 28. April, um 18 Uhr, in der Kaller Pfarrkirche „St. Nikolaus“ beginnt die heiße Phase der Maifeierlichkeiten. Das Ausrufen der 200 Maipaare und das Bekanntgeben des Königspaares vom Felsen an der Gemünder Straße beginnt am Dienstag, 30. April, um 14 Uhr. Viele Kaller werden sich an der Gemünder Straße versammeln, um das Ausrufen zu verfolgen, das von den Lautsprechern in den ganzen Ort hineingetragen wird. Während das Geloog hoch vom Felsen herunter die Zusammenstellung der Paare verkündet, findet unten an der Straße wieder eine große Verlosung von vielen tollen Preisen statt, die die Kaller Geschäftswelt dem Maigeloog gestiftet haben.

Nach dem Ausrufen der Paare teilt sich das Geloog in Gruppen auf, und die Junggesellen ziehen zum traditionellen Maisingen von Haus zu Haus. Bis spät in die Nacht ist das Lied „He komme die Kaller Knechte…“ in Kall zu hören, mit dem die Junggesellen um Spenden bitten. Am Abend treffen sich dann die Bevölkerung und die Vereine am Maiplatz zum gemütlichen Beisammensein am Lagerfeuer.

Höhepunkt der Maifeier ist der Umzug am Dienstag, 1. Mai, um 13 Uhr. Vom Feuerwehrgerätehaus aus wird der Maikönig in einer Kutsche zum Haus der Maikönigin gefahren, wo der Maikönig in der Morgendämmerung mit Hilfe der Geloogsjungen einen großen, bunt geschmückten Baum aufgestellt haben. Die Königskutsche wird von der Musikkapelle Kall und den tags zuvor ausgerufenen Maipaaren begleitet.  Am Haus der Maikönigin wird auch Bürgermeister Hermann-Josef Esser dem Königspaar seine Aufwartung machen und mit einem Blumenstrauß gratulieren.

Nach einem Umtrunk und einem Walzertanz des Königspaares auf der Straße startet der Festzug mit dem Königspaar in der Kutsche zum traditionellen Maiball (Eintritt frei) im Saal Gier. Das Geloog hofft, dass sich auch in diesem Jahr die Kaller Bevölkerung wieder rege an den Maifeierlichkeiten beteiligt. (Reiner Züll)