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Bemerkenswerter Neujahrsempfang am vergangenen Sonntag 10. März in Mechernich

Mechernich – Nach vier Jahren Pandemieunterbrechung, die er mit Videobotschaften an seine Bürger überbrückt hatte, lud Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick am Sonntag wieder zu einem Präsenz-Neujahrsempfang für gut 400 Repräsentanten in die Aula des Schulzentrums. „Sie sind in Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger unsere Ehrengäste!“, so seine kategorische Feststellung zu Beginn.

Das gut besetzte Auditorium mit (vorne, v.r.) Bürgermeister Dr. Hans-Peter und Ehefrau Gabi Schick, dem Ersten Beigeordneten Thomas und Ehefrau Janina Hambach, Dezernent Ralf Claßen und Teamleiterin Manuela Holtmeier (Bürger & Politik), die auch die Organisationsfäden des Neujahrsempfangs in Händen hatte. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Ansonsten machte der erste Bürger wenig „Schmu“ bei einem kleinen „Bericht zur Lage der Nation“, sondern er redete in bekannter Schick`cher Weise Tacheles. Kaum ein Thema blieb ausgespart, auch die unbequemen Dinge nicht: Gesellschaftliche Bruchstellen, Wirtschaftsflaute, Überschuldung öffentlicher Haushalte, das Ende der finanziell so guten Jahre am Bleiberg, Migration, stockende Innenstadtentwicklung, enorme Schul- und Vereinsinvestitionen und eine völlig veränderte Lage am Arbeitsmarkt.

Dr. Schick sagte unter anderem zur Flüchtlingsaufnahme am Bleiberg, sie sei größer als 2015 und bringe neue und kaum lösbare Raumprobleme mit sich, vor allem im Kernort Mechernich. Er sei für Bezugsscheine und eine schnelle Vermittlung in Arbeit, das sei effektiver und vermutlich auch besser als alle staatlichen Rahmenprogramme. Unter zwei Bedingungen ist der Bürgermeister außerdem für die Reduzierung von Unterstützung: „Wer nicht arbeiten will und sich nicht auf den Boden des Grundgesetzes stellt und danach lebt, der hat in Deutschland nichts verloren“.

„Gesellschaftliche Bruchstellen“

Der Bürgermeister lobte die Eigeninitiative seiner Bürger. In der Flutkatastrophe habe man erleben können, wie viele aus nah und fern zur Hilfe geeilt seien. Andere hätten mit ihrem Ersparten geholfen und der Mechernich-Stiftung über eine Million Euro für die Flutopfer zur Verfügung gestellt – auch die Freunde aus der französischen Partnerstadt Nyons hätten großherzig gespendet.

Corona, Flutchaos und Krieg, die drei schweren Krisen der jungen Vergangenheit, hätten „Bruchstellen in der Gesellschaft“ sichtbar gemacht. Gesellschaftliches Engagement sei zurückgegangen, das Dorfleben habe gelitten, die Vereine hätten enorme Schwierigkeiten, ins alte Fahrwasser zurück zu gelangen.

„Gute Nachrichten gebe es an dieser Stelle aber auch“, schreiben die Tageszeitungen zur Rede des Mechernicher Bürgermeisters: „Durch die Zuschüsse seien die Dorfgemeinschaftshäuser in Firmenich, Obergartzem, Glehn und Bergheim fast fertig. Es folgten die in Breitenbenden und Weiler am Berge.“ Dr. Schick appellierte an die Bevölkerung, sich vor Ort zu engagieren und mit anzupacken: „Wenn die Dorftreffpunkte und die Vereine weg sind, ist es zu spät zum Jammern…“

Schick zählte rentierliche Investitionen der Vergangenheit auf und erinnerte daran, dass die spätere Stadt 1969 und 1972 zunächst aus 44 Dörfern zusammengewürfelt worden war. Dass heute städtische Infrastruktur vorhanden und eine gemeinsame Identität entstanden sei, habe viel Anstrengung, auch Versöhnungsbereitschaft und vor allem auch eine Menge Geld gekostet. Alleine 50 Millionen seien in eine heute beispielgebende Schullandschaft geflossen – inklusive 22,5 Millionen folgten nun im nach Mechernich und Kommern dritten Siedlungsschwerpunkt Firmenich/Obergartzem.

Dr. Hans-Peter Schick lobte das Umbauprojekt des früheren RWZ-Gebäudes zu einem stadtbildprägenden Entree am westlichen Eingang in den Kernort, das die Gebrüder Hubert und Peter Schilles aus Floisdorf erfolgreich angepackt hätten. Nordeifelwerkstätten für Behinderte und das Heilpädagogische Zentrum „Haus Lebenshilfe“ nähmen mehrere Etagen in Ansprachen und ließen dort „im Herzen des Kreises Euskirchen ein Zentrum für Integration“ entstehen.

Vor den Augen und Ohren auch vieler prominenter Gäste wie Landrat Markus Ramers, seines gebundenen Vertreters Achim Blindert, Ex-NRW-Innenministers Dr. Ingo Wolf und der Abgeordneten Detlef Seif (Bundestag) und Klaus Voussem (Landtag) sprach der Bürgermeister auch über antidemokratische Tendenzen im Land, über Verschwörungstheoretiker und notorische Neinsager.

„Despoten verstehen nur Stärke“

„Wir brauchen eine Demokratie, die sich wehrt“, so Schicks Forderung: Nach außen gegen Putin, „denn Despoten verstehen nur die Sprache der Stärke“, und auch nach innen: „Deshalb bin ich glücklich, dass auch in Mechernich Menschen für unsere freiheitliche Grundordnung eintreten und kämpfen.“ Dieser erfolgreich artikulierbare Widerstand gegen demokratiefeindliche Bestrebungen sei der entscheidende Vorteil, den die Bundesrepublik, „eines der demokratischsten Länder der Erde“, gegenüber der auslaufenden Weimarer Republik 1933 besitze.

Eine kleine Reminiszenz gönnte Dr. Schick seiner Neujahrsansprache 2011, in der er viel Wirbel verursacht hatte, als er die Bildung von wenigen größeren Kommunen statt der elf vorhandenen Städte und Gemeinden im Kreis Euskirchen forderte: „Das war vielleicht verfrüht, aber durch die zunehmenden finanziellen Zwänge und Personalnot, wird dieses Thema zwangsläufig wieder aktuell werden“. Zumal die räumliche Nähe des Rathauses heute keine entscheidende Bedeutung mehr habe.

Vor und nach der Neujahrsansprache haute „Schmetze Willi“, Gründer und Keyboarder der Mechernicher Kultband „Von Stülp Revival“, mit seinen „Männ“ Rainer Pütz, Eric Guicherit, Frank Weiermann und Günther Rau in die Tasten. Die Jugendgruppe der GdG St. Barbara übernahm die Bewirtung der Gäste. Als eloquenter Moderator brachte der Redakteur und Agenturchef Roland Larmann („ProfiPress“) seine Talkgäste zum Reden.

Dabei handelte es sich um Depotkommandeur Dirk Hagenbach von der Bundeswehr, der einräumte, dass der Munitions- und Materialumsatz im Mechernicher Unter- und Übertagedepot West der Streitkräftebasis enorm angestiegen sei, seit Russland vor zwei Jahren die Ukraine überfiel. Und auch Persönliches gab der Oberstleutnant preis: Hagenbach verbrachte zeitversetzt zehn seiner über 20 Dienstjahre in Mechernich: „Und ich versichere Ihnen. Ich komme gerne wieder!“

Danielle Bieger, die mit ihrem Mann Theo und drei Kindern die bekannten „Krewelshöfe“ unter anderem in Lohmar und Mechernich-Obergartzem betreibt, schilderte ihre Startschwierigkeiten mit eindrucksvollen Worten: „Ich habe nicht dran geglaubt, unsere Hausbank hat nicht daran geglaubt, aber mein Mann hat dran geglaubt, dass wir in Obergartzem Erfolg haben werden – und ich habe an meinen Mann geglaubt.“

An die Stadtväter appellierte die erfolgreiche Geschäftsfrau: „Fördern Sie den Tourismus, er ist das Pfund der Zukunft, mit dem die Stadt Mechernich wuchern kann.“ Und weiter: „»Mechernich« muss eine Marke werden!“

Die Geschäftsführer Norbert Arnold (Sozialwerk Communio in Christo) und Martin Milde (Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH), aber auch der in der Mechernicher Bergstraße aufgewachsene Ex-Sprecher Klaus Vater von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und spätere stellvertretende Regierungssprecher bei Angela Merkel, nahm zu Gesundheitspolitik und Pflegenotstand Stellung.

Während Milde sagte, das „System der Fallpauschalen sei jetzt 20 Jahre alt und am Ende“, beklagte Norbert Arnold die sich hinschleppenden Pflegesatzverhandlungen, die Einrichtungen wie die der Communio in Christo in die finanzielle Bredouille brächten – und viele kleinere Häuser bereits in den Ruin.

„Ehrenamtlich mitmachen!“

Deshalb schrieben er und andere Betreiber in einer konzertierten Aktion des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e. V. (VDAB), einem bundesweiten Trägerverband für private Pflegeunternehmen, an die Minister Laumann (NRW) und Lauterbach (Bund).

Auch der gelernte Redakteur und Politikwissenschaftler Klaus Vater, der unlängst eine Expertise zum Thema Pflege verfasst hatte, leistete seinen Beitrag zur Personalknappheit in der Pflege, der weder innerhalb Deutschlands noch durch Anwerbung ausländischer Pflegekräfte beizukommen sei. Vater sprach von einer Zukunft, bei der spezielle Hightech-Pflegebetten und Roboter Tätigkeiten übernehmen, für die heute noch Manpower unerlässlich sei.

Ehe es Blumen und Wein für die Talkgäste von Organisationsleiterin Manuela Holtmeier, dem Dezernenten Ralf Claßen und Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick persönlich gab, ließ Moderator Ronald Larmann noch die OP-Schwester Luka Lenz ausgiebig zu Wort kommen, die sich ehrenamtlich in der Freiwilligen Feuerwehr engagiert.

Ihre Botschaft war unmissverständlich: „Mitmachen!“ Sie sei „da durch Zufall reingeraten, weil die Jungs aus meiner Klasse in der Kommerner Jugendfeuerwehr waren, aber ich bin mit Begeisterung dabeigeblieben und möchte es nicht mehr missen.“