Kategorien
News

Pferd in Not – Aachener Feuerwehrleute üben den Ernstfall einer technischen Großtierrettung

Aachen – Mit ruhiger Hand legt der Feuerwehrmann eine Schutzplane unter den Kopf des verunglückten Pferdes Sam, zieht sie behutsam gemeinsam mit einem Kollegen so weit durch, bis sie optimal liegt. Jeder Handgriff muss sitzen. Spezialwerkzeuge, die extra für diesen Notfall entwickelt worden sind, kommen zum Einsatz. Dann ertönt das Kommando des Einsatzleiters. Langsam zieht der Rettungstrupp das zuvor fachmännisch gesicherte Pferd aus seiner misslichen Lage und rettet ihm das Leben.

An diesem sonnigen Septembertag ist all das zum Glück nur ein inszeniertes Unfallszenario. Das „Pferd“ ist ein 200 Kilogramm schwerer Dummy, hat bewegliche Gelenke wie das lebendige Vorbild und lässt so ein realistisches Üben zu. All das hat Lutz Hauch mitgebracht, der auf der Wache Nord am Campus Melaten 18 Kräfte der Aachener Berufsfeuerwehr schult. Hauch ist der einzige qualitätszertifizierten Großtierrettungstrainer in Deutschland. Mit seiner Firma ComCovalo bieten er und sein Team Seminare zur technischen Großtierrettung in der ganzen Republik an. Die Feuerwehr Aachen besucht er – mit viel Equipment und seinem professionellen Rettungsdummy Sam im Gepäck – zum ersten Mal.

„Die Rettung von Tieren gehört zu unserem Einsatzalltag“, weiß Oliver Grooz, Leiter des Teams Ausbildung bei der Feuerwehr Aachen, aus der Praxis nur zu gut. „Insbesondere bei mehrere hundert Kilo schweren Tieren wie Pferden oder Rindern sind solche Rettungseinsätze mit besonderen Herausforderungen verbunden. Daher ist es ungemein hilfreich, wenn unsere Kollegen von einem Experten auf diesem Gebiet wichtiges theoretisches Wissen lernen können und dieses bei praxisnahen Übungen direkt angewandt werden kann“, so Grooz weiter.

Über 300 Mal pro Jahr „Tier in Notlage“

In Aachen gab es allein im vergangenen Jahr 308 Mal den Alarm „Tier in Notlage“. Auch wenn es sich hierbei meist um kleinere Tiere wie Katzen oder Hunde handelte, es kommt hin und wieder auch zu Einsätzen, bei denen viele hundert Kilo schwere Tiere verunglücken. Zum Beispiel, wenn es zu einem Verkehrsunfall mit einem Pferdeanhänger kommt, wenn ein Rind in einen Graben oder in eine Güllegrube fällt. „Die Zahl der Rettungseinsätze für große Tiere, die in eine Notlage geraten sind, nimmt kontinuierlich zu. Tierbesitzer – ob Landwirt oder Freizeitreiter – vertrauen in solchen Situationen auf die Feuerwehr“, weiß Lutz Hauch. Dann ist es wichtig, dass die Einsatzkräfte auf die speziellen Anforderungen und Risiken von Großtierrettungseinsätzen vorbereitet sind. „Das Tier ist ein Lebewesen, das anders wahrnimmt als wir Menschen, das sich bewegt und besonders unter Stress unvorhersehbar reagieren kann. Hier muss man gewappnet sein, sich als Retter wirkungsvoll schützen und im Team richtig vorgehen“, beschreibt Hauch die verschiedenen Aspekte, die bei einer Großtierrettung beachtet werden müssen.

Der Trainingstag in Aachen startete am Montag (4. September) mit einem Theorieteil, bei dem die angehenden Großtierretter wichtige Hintergrundinformationen in kompakter Form erhielten. Ein wichtiges Thema der Schulung war auch das konsequent auf Sicherheit setzende Personenmanagement. Das bezieht sich nicht nur auf die Einsatzkräfte, sondern auch auf andere am Einsatzort anwesende Personen. „Nicht wenige Menschen setzen bei dem Versuch, einem in Not geratenen Tier zu helfen, ihre eigene Gesundheit und Sicherheit aufs Spiel“, berichtete Lutz Hauch. Pferdedummy Sam läutete schließlich den Praxisteil ein. Die Teilnehmer lernten an und mit Sam, wie eine Großtierrettung ablaufen sollte. Dabei kamen auch die Spezialwerkzeuge zum Einsatz, die Trainer Hauch mitgebracht hatte. Die Werkzeuge wurden extra für die technische Großtierrettung entwickelt und sind geeignet, Tiere schonend und schmerzfrei zu befreien, ohne dass die Rettungskräfte dem Tier zu nahe kommen müssen. Übrigens: „90 Prozent aller Rettungen lassen sich mit reiner Muskelkraft bewältigen“, erklärte Hauch. Der Einsatz eines Krans bildet in solchen Fällen in der Einsatzrealität eher die Ausnahme. Aber auch für solche Fälle wäre die Aachener Feuerwehr mit ihrem eigenen roten Rettungskran bestens gewappnet.

Weitere Infos:

Die Feuerwehr Aachen sucht regelmäßig erfahrene Kolleg*innen, Auszubildende und Quereinsteiger*innen. Mehr Infos zu den Ausbildungsmöglichkeiten und -voraussetzungen bei der Feuerwehr Aachen findet man unter https://karriere.aachen.de/feuerwehr/.

Bis vor wenigen Jahren gab es in Deutschland keine qualifizierte Ausbildung zur Vorbereitung auf Großtierrettungseinsätze. 2016 lernte Lutz Hauch das in England entwickelte Konzept der technischen Großtierrettung kennen und begann, es in Deutschland bekannt zu machen. Heute gehört das Konzept in vielen Ländern weltweit zur Standardausbildung für Rettungskräfte. In Deutschland verfügen bis heute 436 Feuerwehren über in der technischen Großtierrettung ausgebildete Einsatzkräfte.