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Bürgerinitiative Unser Cassel – Zeit zum Umdenken – Alternativen zum Flächenfraß

Cassel/Heckenbach-Kreis Ahrweiler – Cassels idyllische Lage, seine Topographie, der Naturschutz, die historische Identität des Ortes – das scheint leider weiterhin keine Rolle für den Gemeinderat von Heckenbach zu spielen. Über Jahrzehnte hatte das Bundesbaugesetz den Außenbereich der Dörfer vor Zersiedelung geschützt und damit den Charakter der Landschaft gesichert. Angesichts der Wohnungsnot in den Städten und der Verödung der Ortskerne hatte der Bundestag dann die Idee, das Bauen durch eine erleichterte Gesetzgebung zu unterstützen, leerstehende Brachen und verwahrloste Innenstädte sollten zu Wohnraum, Lücken sollten geschlossen werden. Dazu wurden die Schutzbestimmungen für Natur und Umwelt aufgeweicht. Leider verfehlte das Gesetz seinen Zweck: in vielen Landgemeinden, in denen man das Bauverbot im Außenbereich als lästig empfand, ging man dazu über, große Flächen im Außenbereich zu zersiedeln.

Für Cassel ist dasselbe geplant, hier sollen neue Einfamilienhäuser in einer topografisch sehr empfindlichen Lage errichtet werden. Dabei geht es nicht um Bauersatzland für die Flutopfer, wie die Leiterin der Bauabteilung der VG Altenahr im Treffen zwischen dem Heckenbacher Gemeinderat und Vertretern der Bürgerinitiative „Unser Cassel“ einräumte. Im Klartext: Der Verbrauch von Natur und Landschaft soll also nicht die Not derer mildern, die im letzten Sommer ihr Zuhause verloren haben, denn die Opfer der Katastrophe müssen nach aktuellem Stand bis Sommer 2023 bereits erschlossenes Bauersatzland vorweisen können, um ihren Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Stattdessen widmet man sich in der Gemeinde Luxusproblemen: In Cassel solle der Altersdurchschnitt des Dorfes durch den Zuzug junger Familien gesenkt werden, hieß es im Treffen. Abgesehen davon, dass Cassel derzeit kein Altenheim ist, besteht das Dilemma: die meisten jungen Familien suchen in erster Linie kein Neubaugebiet mit teurem Fernblick, sondern bezahlbaren Wohnraum und eine funktionierende Infrastruktur samt Schulen und Geschäften, nichts davon kann Cassel bieten. Der Ort zeichnet sich durch seine Abgeschiedenheit aus, die in erster Linie Ruhesuchende anlockt, die meist mittleren Alters oder im Rentenalter sind.

Die Bürgerinitiative bemüht sich um einen konstruktiven Dialog. Sie betont, dass sie nicht gegen die Schaffung von Wohnraum sei, sondern ein achtsames Wachsen des Dorfes in Harmonie mit Natur und Umwelt unterstütze. Sie hat daher im Treffen mit dem Gemeinderat einen umfangreichen Katalog vorgestellt, in dem es zum einen um alternative Baulandflächen ging, zum anderen um einen vollkommen anderen Umgang mit den Wünschen der Bürger. In den Monaten vor dem Treffen hatte die Initiative durch eine Umfrage Daten gesammelt, um herauszufinden, was den Menschen in ihrer Gemeinde wichtig ist. An oberster Stelle standen:  die Nähe zur Natur, der Naturschutz, Ruhe und Abgeschiedenheit, Dorffrieden und -gemeinschaft, Erhalt des Dorfcharakters, Beruhigung des Verkehrs, Land- und Forstwirtschaft, sowie mehr Bürgerbeteiligung. Gerade Letzteres ist verständlich, denn ohne die Initiative „Unser Cassel“ wäre die Bürgerbeteiligung von Anfang an wohl auf der Strecke geblieben.

Nach wie vor wird der Dialog seitens des Gemeinderates zwar sachlich, aber nicht wirklich ergebnisoffen geführt. Die Alternativen sollen jedoch in gemeinsamen Termin weiter erörtert werden. Die Bürger fragen sich, warum gerade diese Hangwiese gewählt wurde, obwohl sie im Quellgebiet des Atzbaches liegt? Jeder im Ort weiß: Der Atzbach sprudelt auch nach wochenlanger Trockenheit, bei jedem kräftigen Regenguss rauscht er, jede Flächenversiegelung werden die talwärts gelegenen Gemeinden deutlich zu spüren bekommen. Die Vertreter der Bürgerinitiative erinnerten daran, dass es noch zahlreiche Bauplätze in der Gemeinde gibt, die leichter zu erschließen sind, die Landwirtschaft nicht derart beeinträchtigen und keinen so massiven Eingriff in die Natur darstellen. Die frappierende Antwort: weil diese Wiese der Gemeinde gehört! Ein Argument, das jede Diskussion abwürgt, denn es bedeutet: In der Nähe liegende, besser geeignete Grundstücke sollen also erst gar nicht in die Planung einbezogen werden. Man will sich offenbar nicht die Mühe machen, mit privaten Baulandeigentümern gemeinsam Wohnraum zu entwickeln. Flächen gäbe es, aber um deren Verkauf attraktiv zu machen, müsste die Gemeinde Ideen für kreative und gewinnversprechende Gestaltung erarbeiten. Das ist jedoch anstrengender als die Planungen an Planungsbüros auszulagern.

Die Bürgerinitiative setzt jetzt auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem neuen Bürgermeister der Verbandsgemeinde, Dominik Gieler, der seine Unterstützung als Vermittler angeboten hat. Im Januar hatte die Initiative die Kandidaten für das Amt des neuen Landrats zu einem Rundgang und anschließender Diskussion eingeladen. Diese Tradition setzte sie jetzt mit Dominik Gieler fort, der der Einladung nach Cassel gerne gefolgt war. Es wurde diskutiert, wie der Landkreis Ahrweiler nach der verheerenden Flut nun zu einer Modellregion werden kann. Diesem Anspruch wollen alle Beteiligten gerecht werden, denn das Ahrtal steht auch weiterhin im öffentlichen Fokus des Landes. Man wird den Wiederaufbau mitverfolgen und sich ein Beispiel an der Neuentwicklung unserer Region nehmen – wenn die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Das sieht auch der neue Verbandsbürgermeister so: Cassel und die Gemeinde Heckenbach, ebenso wie alle anderen kleinen und größeren Ortschaften an den Berghängen des Ahrgebirges sind Teil dieser Region und damit mitverantwortlich für deren Entwicklung.

Die Bürgerinitiative hat daher an den neuen Bürgermeister der Verbandsgemeinde appelliert, sich für eine nachhaltige Zukunftsstrategie einzusetzen. Damit in Cassel nicht das passiert, was in Deutschland täglich geschieht: Landschaft verschwindet – in der Größe von 43 Fußballfeldern, täglich!