Schleiden – Öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur gemeinschaftlichen Entwicklung eines Hochwasserschutzkonzeptes in den Einzugsgebieten von Olef und Urft einstimmig beschlossen – sechs Direktmaßnahmen zum Hochwasserschutz sollen im Stadtgebiet Schleiden ab 2023 umgesetzt werden
Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat nicht nur in Teilen des Schleidener Stadtgebietes, sondern auch in den weiteren Einzugsgebieten der Urft und Olef innerhalb des Kreises Euskirchen große Schäden angerichtet.
Aus diesem Grund werden die künftigen Hochwasserschutzmaßnahmen in einem kommunenübergreifenden abgestimmten Konzept entwickelt und koordiniert.
Hierzu beschloss der Schleidener Stadtrat am 7. April einstimmig eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur gemeinschaftlichen Entwicklung eines Hochwasserschutzkonzeptes in den Einzugsgebieten von Olef und Urft. An der interkommunalen Kooperation sind die Kommunen Blankenheim, Dahlem, Hellenthal, Kall, Nettersheim und Schleiden sowie der Kreis Euskirchen und der der Wasserverband Eifel-Rur beteiligt.
Neben den noch zu entwickelnden umfangreichen Hochwasserschutz-Maßnahmen nach dem Hochwasserschutzkonzept haben die Städte und Gemeinden die Möglichkeit, bereits vorab, sogenannte kleinere No-Regret-Maßnahmen (Direktmaßnahmen) zum Hochwasserschutz durchzuführen.
„Die Direktmaßnahmen wurden so ausgewählt, dass zeitnah mit relativ geringem Aufwand ein großer Nutzen für die unmittelbar betroffenen Anlieger entsteht“, so der Erste Beigeordnete, Marcel Wolter. Der Ursprung der Flutkatastrophe seien die völlig überschwemmten kleinen Nebenbäche der Olef und Urft gewesen, daher werden sich die Hochwasserschutzmaßnahmen sowohl auf die Urft und die Olef, die größere Ausdehnungs- bzw. Retentionsflächen benötigen, als auch auf die Nebenbäche ausdehnen müssen.
Aus diesem Grund versucht die Verwaltung, die privaten Grundstückseigentümer, die über geeignete Retentionsflächen im Schleidener Tal verfügen, zu überzeugen, ihre Flächen der Stadt Schleiden zu diesem Zweck zu veräußern. Größere Retentionsflächen könnten vor allem in den unbebauten Bereichen „Herr Loosauel“ (Anstois-Mauel), „Im Hargarten“ (Nierfeld), „In den Obersten Weisen“ (zwischen Schleiden und Olef) sowie „Im Auel“ (Oberhausen) geschaffen werden.
Die Fertigstellung des interkommunalen Hochwasserschutzkonzeptes werde voraussichtlich bis zu drei Jahre dauern. Erst im Anschluss erfolge die bauliche Umsetzung der darin enthaltenen priorisierten Hochwasserschutzmaßnahmen. „Das Thema ist sehr komplex und für die Konzeption eines abgestimmten Hochwasserschutzkonzeptes im Einzugsbereich der Urft und Olef sind viele Fachexpertisen, Berechnungen und Analysen notwendig. Mit den Direktmaßnahmen haben wir die Möglichkeit, zeitnah, das heißt bereits 2023 und 2024 effektive Hochwasserschutzmaßnahmen im Schleidener Tal selbst vorzunehmen“, so Wolter abschließend.
Die Direktmaßnahmen werden nicht über die kommunale Wiederaufbauhilfe gefördert – hier greift eine andere Förderrichtlinie mit einem Fördersatz von bis zu 80 Prozent.
Direktmaßnahmen im Überblick
Hochwasserangepasste Flächennutzung in Gemünd, Mauel
Die Fläche des ehemaligen Bolzplatzes in Mauel ist prädestiniert, um dem Gewässer bei höherem Wasserstand mehr Raum zu geben und die nachfolgende Bebauung der Innenstadt zu schützen. Durch eine Absenkung des Geländeniveaus kann eine Retentionsfläche entstehen, so dass die Urft sich künftig in diesem Bereich „schlängeln“ kann.
Raum für den Fluss in Gemünd, Malsbenden
Die ehemalige Kindertagesstätte „Wingertchen“ wurde durch die Flutkatastrophe schwer beschädigt, so dass sie an dieser Stelle nicht wieder aufgebaut wird. Durch die beabsichtige Folgenutzung des Gebäudes als Vereinsstätte der KG Rot-Weiß Gemünd wird die Außenfläche nicht mehr im ursprünglichen Umfang benötigt. So kann das Geländeprofil zwischen der Urft und dem Gebäude abgetragen werden, so dass der Urft künftig mehr Raum gegeben werden kann.
Eindeichungsmaßnahme in Gemünd, Lompig-Bach
Der „Lompig“-Bach entspringt weit oberhalb der Jugendherberge Gemünd, nahe der Ortschaft Wolfgarten. Er fließt mit starkem natürlichem Gefälle durch ein schluchtenartiges Tal zum Einlauf in eine Verrohrung oberhalb der Jugendherberge. Das Einlaufbauwerk wurde bei der Flutkatastrophe zerstört, so dass die Verrohrung die ankommenden Wassermengen nicht mehr abführen konnte. Die im Frühjahr 2020 eröffnete Jugendherberge wurde von Wasser und Schlamm durchströmt und ist schwer beschädigt worden. Durch die Errichtung einer Regenrückhaltung als kaskadenförmige Deiche oder in Form einer Schutzmauer kann in diesem Bereich der Hochwasserschutz erheblich verbessert werden.
Gewässerrückhaltung in Schleiden, Holgenbach
Der Holgenbach in Schleiden verläuft rund 500 Meter verrohrt durch den Kernort Schleiden, bevor er in die Olef mündet. Die Dimension des Rohres reichte in der Flutnacht nicht aus, so dass Wasser und Schlamm aus den Schächten austraten und die Straßen bergab flossen. Oberhalb der Bebauung ist zur Rückhaltung die Anlegung eines Deiches oder der Bau einer Schutzmauer möglich. Zudem könnte eine Auenlandschaft mit überschwemmbaren Flächen angelegt werden, indem das Gelände in dem Bereich abgetragen wird.
Gewässerrückhaltung in Oberhausen, Rinkenbach
Der Rinkenbach im Ortsteil Oberhausen fließt von seiner Quelle offen durch Gärten, bis zur Verrohrung, die unter dem Dorfgemeinschaftshaus mit Kindertagesstätte und der Bundesstraße herführt, bis er in die Olef mündet. Das Einlaufbauwerk vor der Kindertagesstätte konnte die Wassermassen der Flutkatastrophe nicht aufnehmen, so dass Wasser und Geröll durch den Kindergarten und andere Gebäude flossen. Oberhalb der Bebauung kann durch Deichbau und/oder Geländeabtrag mit Auenlandschaft für eine Rückhaltung des Baches gesorgt werden.
Gewässerrückhaltung in Olef, Selbach
Der Selbach mündet verrohrt im Ortsteil Olef in den gleichnamigen Fluss. Bei der Flutkatastrophe hat die Verrohrung die Wassermassen nicht ableiten können und es kam zur Überflutung des historischen Ortskernes von Olef und der angrenzenden Bebauung. Oberhalb der Ortschaft fließt der Selbach bereits verrohrt durch ein Tal. Mit dem Ausbau der Verrohrung, könnte ein naturnaher Gewässerlauf entstehen, der die hydraulische Belastung des Gewässers im Ort entzerrt und Sedimente im Ufer und Auenbereich zurück hält.