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Warum die Caritas auf langfristige und nachrangige Hochwasser-Hilfe setzt

Region/Trier – Langfristig und nachrangig: Diese beiden Worte fallen immer wieder, wenn die Caritas von Fluthilfe spricht. Doch was ist damit genau gemeint? „Wir beginnen, wenn das Blaulicht weg ist.“ So umschreibt Mario Götz seine Arbeit. Seit 20 Jahren arbeitet er beim Diözesan-Caritasverband (DiCV) Passau in unterschiedlichen Bereichen, aber es wird schnell klar, welches sein liebstes Arbeitsfeld ist: die Fluthilfe. So war er 2013 aktiv, als Donau und Inn mit der Ilz über die Ufer getreten waren und rund 2.500 Haushalte teils unbewohnbar gemacht hatten. Bei seinem Einsatz 2016 sei die Lage eher mit der Hochwasser-Katastrophe vom Juli 2021 vergleichbar gewesen: Eine Gewitterzelle hatte zu einem sogenannten Sturzflutereignis geführt; allein im Landkreis Rottal-Inn waren rund 5.000 Haushalte betroffen.

„Mit Abstand die vielfältigste Stelle“ sei die Fluthilfe gewesen, sagt auch Michalina Jonderko. Genau zum Zeitpunkt des Elbe-Hochwassers 2013 wechselte sie als Hochwasserkoordinatorin zur Caritas nach Leipzig ins Bistum Dresden-Meißen. In Grimma südöstlich von Leipzig, wo die in die Elbe mündende Mulde zusammen mit vielen kleinen Nebenflüssen zum Hochwassergebiet wurde, betreute sie über zwei Jahre lang rund 150 Haushalte. Seit 2015 arbeitet sie als sozialpastorale Mitarbeiterin im Bistum Trier und seit Juli auch ehrenamtlich in der Hochwasserhilfe für den DiCV Trier und den Caritasverband im Ahrtal.

Was im Fachjargon „aufsuchende Sozialarbeit“ heißt, bedeutet konkret: „Vor Ort sein, einfach da sein“, erklärt Jonderko. Wie eine Fall-Managerin müsse sie viele Aspekte auf dem Schirm haben, verschiedene Bereiche „vor- und mitdenken“. Denn in der Regel standen sie und ihr Passauer Kollege vor Menschen, die (fast) alles verloren hatten. Deshalb sei es auch wichtig, für Klarheit zu sorgen, betont Götz: „Der Klient hat so viele Fragen, er steht vor Entscheidungen als ‚Bauherr wider Willen‘. Er ist vielleicht durch erste Erfahrungen vor den Kopf gestoßen, weil Hilfsaktionen nicht hinhauen; er weiß nicht, wie viel Geld er bekommen wird.“ Götz und Jonderko betonen, dass die Arbeit der Caritas da ansetzt, wo staatliche Hilfen enden – nachrangige Hilfe eben, langfristig angelegt. Und da hatten manche Menschen in Sachsen durchaus schlechte Erfahrungen gemacht: Bereits 2002 hatte es ein schreckliches Hochwasser an der Elbe gegeben. Doch weil staatliche Hilfsgelder teils falsch verwendet wurden und dann zurückgezahlt werden mussten und auch weil es Missbrauch mit Hilfsgeldern gab, registrierte Jonderko eine Zurückhaltung gegenüber staatlicher, aber auch karitativer Unterstützung. Doch die „breit aufgestellte Hilfe“ der Caritas konnte 2013 letztlich doch überzeugen. „Aus den Erfahrungen von 2002 hatte die Caritas in Grimma das Christophorus-Büro aufgebaut, in der diverse Fachdienste vertreten waren.“

Aber was passiert mit den Spenden, die die Caritas damals wie heute sehr großzügig von vielen tausenden Menschen erhielt? „Im Grunde genommen erhalten wir unseren Auftrag von den Spenderinnen und Spendern, die uns ihr Geld zur Verfügung stellen“, erklärt Götz mit einem Beispiel: „Da ist jemand, dessen Haus stark zerstört ist, der alles verloren hat. Der Staat zahlt 80 Prozent der Wiederaufbaukosten, die restlichen 20 Prozent muss der Betroffene als Eigenanteil selbst aufbringen. Und oft mangelt es dann an den 20 Prozent – hier können wir dann helfen. Dazu müssen wir solvent sein.“ Wobei das Geld meist nicht das erste Thema gewesen sei, wenn die Caritas-Leute zu den Flutopfern kamen: „Fotos anzuschauen oder einfach zuzuhören war erstmal viel wichtiger!“, sagt Götz. Das bestätigt Jonderko: Von den 150 Haushalten, die sie in zwei Jahren betreute, hatten letztendlich 33 die Wiederaufbauhilfe für das Wohngebäude erhalten. Nicht in jedem Fall habe eine finanzielle Bedürftigkeit vorgelegen. Für viele sei anderes wichtiger gewesen und die finanzielle Unterstützung nur ein Aspekt unter vielen. „Oft war es schon gut, dass wir einfach sagen konnten: Es ist okay, überfordert zu sein.“ Jonderko hat Menschen zu Ämtern begleitet, psychosoziale Begleitung vermittelt oder auch eine Baufachberatung. Selten habe sie eine so große Wirksamkeit von Hilfe erlebt, „gemeinsam mit den Menschen“, erinnert sie sich. Dabei will sie Misserfolge nicht ausblenden. Sie habe auch immer Verständnis gehabt, wenn Menschen aufgrund ihrer Vorerfahrungen misstrauisch waren. Niemandem soll etwas aufgezwungen werden: „Die Menschen haben ja Wahlfreiheit, auch was den Umfang oder die Art der Unterstützung angeht.“