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Das Handwerk fordert freie Fahrt

Aachen/Wegberg – Vollversammlung der Kammer: Klare Erwartungen an die neue Bundesregierung. Das Handwerk in der Wirtschaftsregion Aachen, Heinsberg, Düren, Euskirchen hat klare Erwartugen an die Politik und wird künftig nicht leiser für seine Interessen kämpfen als bisher. Das hat Marco Herwartz, Präsident der Handwerks­kammer Aachen, bei deren Herbst-Vollversammlung im Forum Wegberg vorgegeben.

„Es sind nicht nur spannende, es sind außergewöhnliche Zeiten, in denen wir täglich die Fahrspur wechseln, mal im Überholmodus und mal auf dem Kriechstreifen unterwegs sind“, sagte Herwartz im Hinblick auf Corona, Flut-Katastrophe und Koalitionsverhandlungen. „Wir wollen permanent Gas geben, aber dann taucht plötzlich der nächste Stau auf und wir hängen wieder mittendrin.“

Es brauche dringend politische Veränderungen, so der Kammerpräsident. Denn die Lage spitze sich durch den Klimawandel und den Fachkräftemangel immer mehr zu. Letzterer führe dazu, dass Betroffene der Flut zum Beispiel lange auf Handwerker warten müssten. Viele Probleme seien Folgen politischer Fehlsteuerung, der Miss­achtung von Verkehrszeichen, die schon frühr auf negative Entwicklung hingewiesen, aber nicht ausreichend beachtet worden wären. Die Bußgelder für diese Vergehen bezahlten Wirtschaft und Steuerzahler.

Ganz vorne im Forderungskatalog des Handwerks steht die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. „Nicht alle Schulabgänger sind an der Hoch­schule richtig aufgehoben“, sagte Herwartz. „Das zeigt die wachsende Zahl an Studienabbrechern. Viele von ihnen kommen nach wenigen Semestern ernüchtert in eine Ausbildung, weil sie gemerkt haben, dass sie lieber anpacken, bauen, gestalten und schaffen statt studieren und in praktischen Tätigkeiten ihre Talente liegen.

In der Berufsorientierung müsse daher alles getan werden, um Nachwuchskräfte schon nach der Schule für die duale Ausbildung in einem der interessanten Hand­werksberufe zu gewinnen. Eine große Baustelle bleibe die Sensibilisierung der Eltern, die immer noch zu einem Großteil erwarteten, dass ihr Kind eine akademische Laufbahn einschlägt.

Es brauche durchlässige Bildungssysteme, die Perspektiven für gute Qualifizierungs­abschlüsse böten. Und es brauche mehr Digitalisierung und Technik in den Berufen, denn moderne Arbeitsweisen lockten junge Bewerber. So mache sich das Handwerk attraktiv und zeige, dass es sowohl Tradition, als auch Moderne kann.

Die intensiven Bemühungen, Bewerber für handwerkliche Ausbildungen zu gewinnen, zeigen trotz schwieriger Rahmenbedingungen Wirkung, denn zum 31. Oktober sind die Ausbildungszahlen im regionalen Handwerk wieder angestiegen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es 114 neue Lehrverhältnisse – 5,6 Prozent mehr als im Vorjahr.

Große Solidarität
Mut in schweren Zeiten mache laut Kammerpräsident die in beeindruckender Weise geleistete solidarische Unterstützung von Handwerkern und für Handwerker. In den Hochwassergebieten hätten zahlreiche Menschen angepackt und Betroffenen mit hohem körperlichen und geistigen Einsatz unter die Arme gegriffen. Gemeinsam hätten sie im Schlamm Kaputtes und Verschimmeltes weggeräumt und bei Instand­setzung und Wiederaufbau geholfen. Diesen Leistungen gebühre Dank und Respekt.

Die Handwerkskammer habe den Betrieben in schwierigen Lagen immer beratend zur Seite gestanden, so Herwartz. Viele Mitgliedsunternehmen hätten diese Hilfe in Anspruch genommen. Die Berater der Kammer hätten Extraschichten eingelegt, um die Betriebe kompetent und erfolgreich zu unterstützen, und es habe sich gezeigt: Handwerk kann Krisen.

„Viele der Betriebe haben sich mittlerweile schon wieder ganz gut in Bewegung gesetzt, wenn auch vielleicht gerade erst noch im zweiten und noch nicht im sechsten Gang“, sagte Herwartz. Es gebe Lichtblicke, die optimistisch stimmten. So seien die konstant bleibenden Betriebszahlen ein eindeutiger Beweis für die Robustheit des Wirtschaftszweigs.

„Das Handwerk im Kammerbezirk ist stark und wir wollen stark bleiben“, sagte Herwartz. Auch an den Rändern des Kammergebietes wie zum Beispiel in Wegberg im Kreis Heinsberg. Die gut funktionierenden Strukturen sollten erhalten und die einzelnen Standorte der Aus- und Weiterbildung aufgewertet werden. Das Zusammenspiel von Kammer, Kreishandwerkerschaften, Innungen, Betrieben, Kommunen und Wirtschaftsförderern sei wichtig und müsse möglichst optimal verlaufen, damit in Bildung, Beratung und Interessenvertretung Erfolge erzielt würden.

Qualitätsniveau halten
Eine sehr wichtige Aufgabe sei es, die Bildungszentren und die Standorte der Meisterausbildung und Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung auf hohem Qualitäts­niveau zu halten. Denn hochwertige Aus- und Weiterbildung seien Grundlage für unternehmerischen Erfolg sowie für eine florierende Gesamtwirtschaft. „Deswegen machen wir uns auch für das stark von der Flut geschädigte Bildungszentrum BZE Euenheim in Euskirchen, das wir mit der Industrie- und Handelskammer sowie dem Kreis Euskirchen in Trägerschaft betreiben, stark“, sagte der Kammerpräsident. „Wir helfen beim Neuaufbau und bei der künftigen Ausrichtung intensiv mit und bringen unsere Überlegungen ein. Die Handwerkskammer Aachen steht voll und ganz hinter dem BZE und will mit dafür sorgen, dass es dort eine hohe Auslastung und herausragende Lehrgangsqualität gibt.“

Abschließend sagte Herwartz: „Wir sehen mit Zuversicht in die Zukunft. Unsere Betriebe sind fahrbereit, wir haben Sprit im Tank. Wenn jetzt die neue Bundesregierung Gas gibt, kann es für das Handwerk eine gute Zukunft geben. Wir sind bereit.“